Was ist eine Großkanzlei?
Das Wichtigste in Kürze:
- Unter einer Großkanzlei versteht man eine Anwaltskanzlei mit über 100 Anwälten.
- Anwälte in Großkanzleien verdienen bereits im ersten Berufsjahr bis zu 190.000 € inkl. Bonus.
- Großkanzleien bearbeiten juristisch sehr anspruchsvolle Mandate und sind häufig auf die Beratung von Großunternehmen, Regierungen und Finanzunternehmen spezialisiert.
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Was ist eine Großkanzlei?
Unter einer Großkanzlei versteht man eine Anwaltskanzlei mit über 100 Anwälten. Genau festgelegt ist diese Anzahl nicht, allerdings wird diese Schwelle in der Praxis häufig verwendet.
Somit charakterisiert sich eine Großkanzlei nur durch die Anzahl an Anwälten. Die Anzahl an Berufsträgern hat allerdings noch weitere Auswirkungen, welche eine Großkanzlei von kleinen und mittelständischen Kanzleien unterscheidet. Aufgrund der vielen Berufsträger sind Großkanzleien professionell organisierte Unternehmen. Entsprechend haben Großkanzleien etwa eine Personal- und Marketingabteilung, sodass eine Großkanzlei strukturell einem größeren Unternehmen entspricht. Dadurch unterscheiden sich Großkanzleien stark von einer kleinen Anwaltskanzlei mit nur wenigen Anwälten. Bei kleineren Anwälten kümmern sich die Anwälte üblicherweise um alle Belange der Kanzlei selbst, sodass deutlich generalistischer gearbeitet wird. Demgegenüber sind die einzelnen Teams und Anwälte in Großkanzleien hoch spezialisiert und werden durch viele nicht-juristische Mitarbeiter unterstützt.
Arbeit in einer Großkanzlei
Auch inhaltlich unterscheidet sich die Arbeit in vielen Großkanzleien von kleineren und mittelständischen Unternehmen. Viele, wenn auch nicht alle Großkanzleien sind auf die Beratung von Großunternehmen, Regierungen und Finanzunternehmen spezialisiert.
Aufgrund der anspruchsvollen Mandanten ist auch die Arbeit in der Großkanzlei sehr anspruchsvoll. Anwälte in einer Großkanzlei haben somit die Möglichkeit, an öffentlichkeitswirksamen, gesellschaftlich bedeutsamen Projekten mitzuarbeiten und juristisch herausfordernde Aufgaben zu bearbeiten. Dies hat allerdings auch zur Konsequenz, dass die Arbeitszeiten in Großkanzleien häufig unvorhersehbar und lang sind. Da viele wichtige und zeitkritische Mandate bearbeitet werden, kann es regelmäßig passieren, dass auch spät abends, am Wochenende und an Feiertagen gearbeitet werden muss.
In folgenden Rechtsgebieten beraten viele Großkanzleien:
- Gesellschaftsrecht
- Kapitalmarktrecht
- Arbeitsrecht
- Prozessführung
- Kartellrecht
- Steuerrecht
- Immobilienwirtschaftsrecht
- Öffentliches Wirtschaftsrecht
- Finanzierungsrecht
Was verdient man in einer Großkanzlei?
Die Gehälter von Anwälten in Großkanzleien liegen im ersten Berufsjahr bei bis zu ca. 190.000 Euro. Dementsprechend sind die Gehälter in Großkanzleien sehr hoch.
Bei den meisten Anwälten in Großkanzleien beträgt das Einstiegsgehalt zwischen 110.000 und 160.000 €. Grundsätzlich ist das Einstiegsgehalt in einer Großkanzlei umso höher, desto renommierter und profitabler die Kanzlei ist. In besonders renommierten Kanzleien mit Fokus auf Unternehmenstransaktionen, etwa bei Sullivan & Cromwell, Milbank und Kirkland & Ellis, ist das Einstiegsgehalt mit am höchsten.
Mit steigender Berufserfahrung steigen auch die Gehälter von Anwälten in Großkanzleien. Folgende Tabelle zeigt das Gehalt inklusive Bonus von angestellten Anwälten in Abhängigkeit der Berufserfahrung.
- 1-2 Berufsjahr: 110.000– 190.000 €
- 3-4 Berufsjahr: 130.000– 240.000 €
- 5 + Berufsjahre: 140.000 – 300.000 € und mehr
Doch schon Referendare erhalten in Großkanzleien sehr hohe Gehälter. Je nach Großkanzlei und Arbeitstagen erhalten Referendare in Großkanzleien bis zu 7.500 € im Monat.
Praktikanten erhalten in Großkanzleien eine monatliche Vergütung von bis zu 1.500 €.
Was verdienen Partner in einer Großkanzlei?
Erreicht man die „Spitze“ der Karriereleiter und wird zum Partner in einer Großkanzlei ernannt, kann das Einkommen noch deutlich höher ausfallen. Ein hohes sechs- oder sogar siebenstelliges Einkommen ist als Partner in einer Großkanzlei über kurz oder lang durchaus realistisch.
Was sind die besten Großkanzleien?
Es gibt nicht die beste Großkanzlei. So gibt es z.B. einige Großkanzleien, welche ausschließlich im Kapitalmarktrecht beraten, während es andere Kanzleien gibt, welche ihre Mandanten in allen aufkommenden Rechtsfragen beraten (sog. Full-Service-Kanzleien). Aufgrund der unterschiedlichen Spezialisierungen ist es nicht möglich, die Kanzleien miteinander zu vergleichen.
Zu den bekanntesten Full-Service-Kanzleien in Deutschland gehören:
- Linklaters
- Freshfields Bruckhaus Deringer
- Hengeler Mueller
- A&O Shearman
- CMS Hasche Sigle
- Hogan Lovells
- Clifford Chance
Welche Anforderungen werden an Bewerber gestellt?
Großkanzleien haben hohe Ansprüche an ihre Bewerber. Um als Anwalt in einer Großkanzlei arbeiten zu können, müssen Bewerber die beiden juristischen Staatsexamina abgelegt haben. Großkanzleien fokussieren sich dabei primär auf die besten 15% der Absolventen. Aufgrund des aktuellen Personalmangels schaffen es allerdings viele Kanzleien nicht, alle Stellen mit entsprechenden Bewerbern zu besetzen. Dementsprechend reicht es bei einigen Großkanzleien aus, überdurchschnittliche Leistungen in den Staatsexamina erzielt zu haben.
Die genauen Notenanforderungen hängen dabei stark von den Umständen des Einzelfalls ab.
- Rechtsgebiet: So gibt es Rechtsgebiete, in denen besonders viele Anwälte benötigt werden oder die bei Bewerbern nicht so beliebt sind, in denen die Notenanforderungen eher niedriger sind. Klassische Beispiele sind das Steuer- und das Gesellschaftsrecht.
- Stadt: Auch die Stadt spielt für die Notenanforderungen eine große Rolle. Grundsätzlich gilt, dass die Notenanforderungen in Frankfurt etwas niedriger sind als in anderen Städten. Dies liegt daran, dass in Frankfurt sehr viele Großkanzleien ansässig sind, sodass ein besonders hoher Bedarf nach Juristen besteht.
- Marktlage: Je nach konjunktureller Lage variiert der Bedarf nach Juristen. Während viele Kanzleien während einer Wirtschaftskrise eher weniger einstellen, wird in wirtschaftlich guten Zeiten sehr stark eingestellt. Dabei gilt, dass die Notenanforderungen umso geringer sind, desto höher der Bedarf ist.
- Vorheriger Kontakt: Wenn Kanzleien Bewerber bereits kennen, etwa aufgrund einer vorherigen Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter oder Referendar, dann spielen die Noten eine geringere Rolle. Schließlich konnte sich die Kanzlei bereits ein Bild von der Arbeit des Bewerbers machen, sodass die Aussagekraft der Noten abnimmt.
- Vorqualifikationen: Bewerber die einen LL.M. oder einen Doktortitel erworben haben, haben im Rahmen des Masters bzw. der Doktorarbeit gezeigt, dass sie über Eigeninitiative und Durchhaltevermögen verfügen und juristisch arbeiten können, entsprechend spielen bei solchen Bewerbern die Noten eine weniger hohe Rolle.
Neben der juristischen Qualifikation sind u.a. auch folgende Fähigkeiten für Großkanzleien wichtig:
- Verhandlungssicheres Englisch
- Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge
- Teamfähigkeit
- Stressresilienz
- Hohe Arbeitsgeschwindigkeit
Hierarchie in einer Großkanzlei
Wie bei jedem Unternehmen besteht auch in eine Großkanzlei eine Hierarchie. Die Besonderheit bei Anwaltskanzleien und damit auch bei Großkanzleien besteht darin, dass Großkanzleien keine fremden Eigentümer haben, sondern die Kanzlei den „Chefs“, also den Partnern der Kanzlei, gehört.
- Praktikanten: Jurastudenten müssen im Rahmen des Studiums Praktika absolvieren, aufgrund des noch andauernden Studiums verfügen Praktikanten allerdings nur über ein geringes Wissen.
- Referendare / Wissenschaftliche Mitarbeiter: Im Rahmen des Referendariats verbringen Referendare mehrere Monate in einer Kanzlei. Dabei sind Großkanzleien aufgrund der spannenden Einblicke bei Referendaren besonders beliebt. Viele Referendare fangen nach dem Referendariat bei einer Kanzlei an, die sie im Rahmen des Referendariats kennengelernt haben. Wenn man noch nicht als voller Anwalt in einer Kanzlei arbeiten möchte, besteht nach dem ersten und zweiten Staatsexamen die Möglichkeit, als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Kanzlei zu arbeiten. Die Arbeit von Wissenschaftlichen Mitarbeitern und Referendaren ist sehr ähnlich und besteht primär in der Unterstützung der Anwälte.
- Support Staff: Großkanzleien sind große Unternehmen. Dementsprechend haben Großkanzleien auch eine Personalabteilung, Sekretariate, eine Marketingabteilung usw. Die Mitarbeiter der Bereiche, die nicht direkt an der Beratung von Mandanten beteiligt sind, werden als Support Staff bezeichnet.
- Associates: Als Associates werden die angestellten Anwälte einer Großkanzlei bezeichnet.
- Senior Associates: Associates mit mehrjähriger Berufserfahrung können nach ca. 4-6 Jahren zu Senior Associates befördert werden. Dadurch steigen in der Regel die Verantwortung und die Eigenverantwortlichkeit bei der Arbeit, durch die Beförderung steigt üblicherweise auch das Gehalt.
- Counsel / Salary Partner: Counsel bzw. Salary Partner sind ebenfalls Angestellte einer Großkanzlei. Die Position Counsel bzw. Salary Partner sind Hierarchieebenen über der Position als Senior Associate. Deshalb handelt es sich um Positionen für Anwälte mit sehr viel Berufserfahrung, die Anwälte ca. ab dem 7. Berufsjahr erreichen können. Counsel bzw. Salary Partner arbeiten häufig sehr eigenständig und betreuen auch eigenständig Mandate.
- Partner: An der „Spitze“ einer Kanzleistehen die Partner. Dies sind die Eigentümer der Kanzlei. Die Arbeit als Partner ist sehr ähnlich zu der Arbeit eines Managers in einem Unternehmen. Neben der fachlichen Arbeit müssen Partner auch Mandanten akquirieren, die eigenen Angestellten betreuen usw.
Karriere in einer Großkanzlei
In den meisten Kanzleien gibt es keinen festen Karriereweg für Anwälte. Üblich ist es allerdings, dass Anwälte mindestens die ersten vier Jahre als Associates arbeiten. Anschließend besteht die Möglichkeit zum Senior Associates befördert zu werden. Wiederum nach 1-2 Jahren besteht dann die Möglichkeit, zum Counsel / Salary Partner oder Partner befördert zu werden. Dabei ist es allerdings wichtig zu berücksichtigen, dass es auch nach einer Ernennung zum Counsel teilweise noch möglich ist, zum Partner ernannt zu werden. Die Zeiträume bis zur Beförderung als Partner sind sehr unterschiedlich. Während manche Anwälte bereits nach 6 Jahren zum Partner ernannt werden, erfolgt bei anderen die Beförderung erst nach mehr als 10 Jahren.
Der Weg zur Beförderung als Partner ist allerdings nur einer von mehreren möglichen Karrierewege. Aufgrund der anspruchsvollen Arbeit in einer Großkanzlei und der stressigen Arbeitsatmosphäre haben Associates eine hervorragende Ausgangslage auf dem Arbeitsmarkt, so wechseln viele Associates nach ein paar Jahren in einer Großkanzlei in die Rechtsabteilung von Unternehmen, in die Justiz oder die Finanzindustrie.