Tipps zum Umgang mit Kommentaren im zweiten Examen
Das Wichtigste in Kürze:
- Im Gegensatz zu den Prüfungen des ersten Staatsexamens ist es Referendaren in den Klausuren des zweiten Staatsexamens erlaubt, Gesetzeskommentare als zusätzliche Hilfsmittel zu verwenden.
- Allerdings liefern Kommentare erfahrungsgemäß nur dann einen Mehrwert, wenn Referendare den Umgang mit Kommentaren sicher beherrschen.
- Um die Kommentare effektiv nutzen zu können, empfiehlt es sich, möglichst frühzeitig - idealerweise zu Beginn des Referendariats oder spätestens zu Beginn jeder Station - mit dem Schreiben von Klausuren unter Examensbedingungen und unter Verwendung der Kommentare zu beginnen.
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Trotz der Kommentare wird es nicht einfacher
Der Gedanke an die Möglichkeit, bei der Klausurlösung Kommentare verwenden zu können, erscheint den meisten angehenden Referendaren zunächst wie ein Segen. Allerdings sollte einem bei aller berechtigter Freude bewusst sein, dass dies allein nicht dazu führt, dass man auf die Aneignung von juristischem Fachwissen verzichten kann.
Aufgrund der Zunahme des Stoffes, insbesondere des Prozessrechts, ist es keineswegs so, dass man weniger lernen muss, vielmehr muss man jedoch deutlich stärker Schwerpunkte setzen. Während es ohne Zweifel nicht erforderlich ist, lange Definitionen und die Lösung komplexer juristischer Probleme auswendig zu lernen, sollten die „Standard-Definitionen“ und „klassischen Probleme“ auch ohne Kommentar sicher beherrscht werden. Für das Nachschlagen solcher Definitionen fehlt in der Klausur häufig die Zeit. Zudem ist es auch im Hinblick auf komplexe Probleme unerlässlich, diese in der Klausur zu erkennen, um diese nach einem Blick in die Kommentierung sicher und mit überzeugenden Argumenten lösen zu können.
Hinweis: Dabei empfiehlt es sich beim Lösen der Probleme grundsätzlich der Auffassung der Rechtsprechung zu folgen, damit die eigene Lösung auch hinreichend praxistauglich ist.
Übung während des Referendariats
Den Umgang mit Kommentaren erlernt man am besten, indem man die Kommentare bei der Stationsarbeit sowie beim Lernen und Wiederholen des Stoffes regelmäßig verwendet. Dabei versteht es sich fast von selbst, dass man sich dabei auf die Kommentare fokussieren sollte, die auch im Examen zugelassen sind. In gewisser Weise sollten die zugelassenen Kommentare im Referendariat also Eure ständigen Begleiter sein, damit ihre diese Hilfsmittel zweiten Examen optimal einsetzen könnt.
Systemverständnis ist essenziell
Eine der wichtigsten Fähigkeiten, die erforderlich ist, um Kommentar in der Klausur effektiv einsetzen zu können, ist die Kenntnis der Systematik der jeweiligen Kommentierungen. In Klausuren im zweiten Staatsexamen haben Referendare nur sehr wenig Zeit. Entsprechend ist es wichtig, die relevanten Fundstellen so schnell wie möglich zu finden. Um möglichst schnell die relevanten Fundstellen in den Kommentaren zu finden, ist es essenziell zu wissen, an welcher Stelle im Kommentar man schauen muss.
Überblick über die kommentierten Inhalte
Im ersten Schritt sollte man einen guten Überblick über die Inhalte der zugelassenen Kommentare zu verschaffen. Dies mag auf den ersten Blick banal klingen, allerdings enthalten viele Kommentare mehr Informationen, als man vermuten würde. Diese kann man sich in der Klausur aber oft nur zunutze machen, wenn man auch davon weiß. So ist beispielsweise nützlich zu wissen, dass im Grüneberg (früher Palandt) nicht nur das BGB kommentiert wird, sondern auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und das Gesetz über die Haftung für fehlerhafte Produkte (ProdHaftG). Ähnlich verhält es sich mit dem Thomas/Putzo, dieser behandelt nicht nur Normen der ZPO, sondern enthält auch Ausführungen zu Normen des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG).
Aufbau der Kommentierung
Im zweiten Schritt sollte man sich mit der Systematik der einzelnen Kommentare befassen. Dabei lohnt es sich vor allem, sich neben den Erläuterungen zu den wichtigsten Normen mit den Vorbemerkungen bzw. Einleitungen vertraut zu machen. Denn es erweist sich regelmäßig als äußerst nützlich zu wissen, welche Themenkomplexe bereits in der Vorbemerkung behandelt worden sind und deshalb nicht tiefergehend bei der zugehörigen Einzelnorm besprochen werden.
Beispiel: In einer Klausur mit deliktsrechtlichen Problemen ist es zum Beispiel nützlich zu wissen, dass detaillierte Ausführungen zur haftungsbegründenden und haftungsausfüllenden Kausalität in den Vorbemerkungen zu § 249 BGB kommentiert sind.
Tipp: Es ist sehr wichtig, sich mit dem allgemeinen Teil im Fischer vertraut zu machen. Im allgemeinen Teil des Strafrechts gibt es viele examensrelevante Rechtsfragen, bei denen es wichtig ist zu wissen, wo diese Rechtsfragen behandelt werden. So sparen sich Referendare etwa viel Zeit in der Klausur, wenn sie wissen, dass der Erlaubnistatumstandsirrtum im § 16 StGB erläutert wird. Da es im allgemeinen Teil des Strafrechts viele examensrelevante Rechtsfragen gibt, bei denen nicht eindeutig ist, wo dieser erklärt werden, ist ein vertrauter Umgang mit dem Kommentar sehr hilfreich.
Mehr als eine bloße Gesetzeserläuterung
Neben der Erkenntnis, welche Komplexe wo behandelt werden, lernt man bei der näheren Auseinandersetzung mit den Kommentierungen auch eine Menge über die Art und Weise, wie ein Werk kommentiert. So fällt einem beispielsweise auf, dass der Thomas/Putzo auch die Formulierungsvorschläge für Anträge enthält, was sowohl bei der Erstellung eines Klageantrags oder Tenors extrem hilfreich sein kann. Ein vergleichbares Beispiel aus dem Meyer-Goßner wären die Ausführungen zu den Auswirkungen eines Verstoßes im Rahmen einer Revision und zur richtigen Geltendmachung des Verstoßes in einer Revisionsbegründung am Ende der Normen. Ferner gelangt man dabei zu der Erkenntnis, dass die Kommentare teils mehr als reine Nachschlagewerke sein können, sondern daneben zum Beispiel durch die Ausführungen zu den einzelnen Voraussetzungen der Normen auch nützliche Schemata enthalten.
Normen, die Referendare kennen sollten
Zwar garantiert einem auch eine intensive Auseinandersetzung mit den jeweiligen Kommentierungen nicht, dass man im Ernstfall die entscheidende Fundstelle aufspüren kann. Es erhöht jedoch die Wahrscheinlichkeit erheblich. So ist es zum Beispiel ohne vorherige Kenntnis schwierig, die Ausführungen zum Kündigungsschutzgesetz im Grüneberg (vormals Palandt) zu finden oder im Zweifel wird man nicht einmal danach suchen. Ist einem allerdings bewusst, dass diese in den Vorb. zu § 620 enthalten sind oder weiß man zumindest, dass es diese gibt, so kann dieses Wissen in der Klausur unheimlich hilfreich sein.
Der Retter in der Not – das Stichwortverzeichnis
Auch wenn man die dargestellten Tipps beherzigt, kommt es von Zeit zu Zeit vor, dass man nicht weiß, an welcher Stelle im Kommentar die Ausführungen zu einem Problem stehen. Diese Situation ist für jeden Klausurbearbeiter unangenehm, in der Regel erweist sich allerdings ein Blick in Stichwortverzeichnis (welches teilweise auch etwas unschmeichelhaft als „Idiotenwiese“ bezeichnet wird) als hilfreich. Sofern einem das Schlagwort nicht ohnehin bekannt ist, sollte man stets auf mögliche Hinweise in der Akte achten. Die Akten enthalten häufig wertvolle Hinweise auf das entscheidende Schlagwort.
Dabei sollte man beachten, dass man nicht zu viel Zeit für die Suche aufwendet. Inder Regel sollte man nicht mehr als 10 bis 15 Minuten für die Suche nach einer passenden Fundstelle aufwenden. Auch wenn man weiß, dass es eine Kommentierung zu der Frage gibt, sollte man dann aufgeben, denn sonst verliert man zu viel Zeit, um die anderen Probleme der Klausur zu lösen und verliert im Zweifel an zwei oder mehr Stellen Punkte. Wenn man in der Zeit keine Kommentierung gefunden hat, gilt es – vergleichbar mit der Situation im ersten Examen – eine überzeugende juristische Lösung argumentativ sauber dazustellen.
Der Kommentar hat nicht immer recht
Selbst wenn man aufgrund einer gründlichen Vorbereitung eine Kommentarstelle gefunden hat, die die konkrete Frage behandelt, bedeutet dies leider nicht immer, dass die dort vertretene Meinung auch der herrschenden Ansicht entspricht. Referendare sollte sich stets bewusst sein, dass es in den zugelassenen Kommentaren Stellen gibt, an denen die Kommentatoren ihre persönliche Meinung darlegen, ohne auf die herrschende Gegenansicht hinzuweisen, oder dass der Kommentar möglicherweise noch nicht auf dem neuesten Stand der Rechtsprechung ist. Daher sollte man sich nicht uneingeschränkt auf den Kommentar verlassen, sondern das gefundene Ergebnis nur dann seiner Klausurlösung zugrunde legen, wenn man dieses Ergebnis auch entsprechend argumentativ begründen kann. Schließlich erhaltet ihr in der Klausur insbesondere für die Argumentation und die Darstellung eurer Lösung Punkte. Es gibt kaum etwas ärgerlicheres als wertvolle Punkte zu verlieren, weil man ein falsches Ergebnis aus dem Kommentar abgeschrieben und nicht hinreichend begründet hat.
Sollte der Kommentar in der Klausurlösung zitiert werden?
Eine umstrittene Frage ist, ob man die Kommentarstellen, die man verwendet hat, auch zitieren sollte. Dafür spricht zunächst die Tatsache, dass Rechtsauffassung in Schriftsätzen und Urteilen in der Praxis ebenfalls belegt werden und die Klausurlösung dadurch praxisnäher wird.
Allerdings gibt es auch Argumente, die gegen eine Zitation sprechen. Einerseits kostet das Aufschreiben von Zitaten Zeit, die eventuell an anderen Stellen fehlt, um eine überzeugend begründete Lösung niederzuschreiben. Außerdem ersetzt das Zitieren einer Kommentarfundstelle nicht die juristische Begründung der eigenen Lösung. Dabei sind Kommentare eine nützliche Hilfe, jedoch ist häufig eine eigene Begründung des im Kommentardargestellten Ergebnisses notwendig. Zumindest sind nahezu immer einzelfallbezogene Ausführungen erforderlich.
Außerdem wirkt es sich üblicherweise nicht negativ auf die Bewertung aus, wenn der Korrektor denkt, man habe die Fundstelle zwar nicht gefunden, sondern stattdessen eigenständig eine überzeugende Lösung entwickelt.
Aus unserer Sicht sprechen deshalb die besseren Argumente dafür, in Klausuren nicht zu zitieren.