Prüfungsschema der Notwehr, § 32 StGB
Prüfungsschema Notwehr:

Flexibel & ideale Vorbereitung auf das 2. ExamenWissMit · Hamburg (remote möglich)Stellenanzeige ansehen
Tipp: Als Grundlage für die Klausur- und Examensvorbereitung können wir die Karteikarten von Examen mit Sandro empfehlen. Die Karteikarten sind inhaltlich sehr gut, ihr spart euch hunderte Stunden Arbeit und könnt direkt mit dem Lernen anfangen. Mit dem Code "JurInsight10" spart Ihr 10 % beim Kauf. (Unbezahlte Werbung)
Wann liegt eine Notwehrlage vor?
Eine Notwehrlage erfordert einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff.
Wie ist die Definition von Angriff?
Ein Angriff ist die von einem Menschen drohende Verletzung rechtlich geschützter Güter oder Interessen.
- Rechtsgüter: Dabei können strafrechtlich geschützte Rechtsgüter wie Leben, körperliche Unversehrtheit, Freiheit, sexuelle Selbstbestimmung, Eigentum, Vermögen und Ehre, aber auch sonstige rechtlich geschützte Interessen wie das Recht am eigenen Bild betroffen sein.
- Angriffe von Tieren: Der von einem Tier ausgehende „Angriff“ ist kein Angriff i.S.v. § 32 StGB.
- Angriff durch Unterlassen: Auch ein Unterlassen (z.B. Verweigerung der Herausgabe eines Rettungsmittels) kann einen Angriff darstellen, wenn der Täter als Garant i.S.v. 13 StGB zum Handeln rechtlich verpflichtet ist.
Wie wird gegenwärtig definiert?
Gegenwärtig ist der Angriff, wenn eine Rechtsgutsverletzung unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch fortdauert.
Hierbei sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:
- Hinausschieben: Für die Gegenwärtigkeit genügt es, wenn das Hinausschieben der Abwehrhandlung deren Erfolg gefährden würde.
- Wiederholungsgefahr: Der Angriff ist solange gegenwärtig, wie eine Wiederholung oder Vertiefung der Verletzung unmittelbar zu befürchten ist.
- Objektive Betrachtung: Generell kommt es auf die objektive Sachlage an. Entscheidend sind daher nicht die Befürchtungen des Angegriffenen, sondern die Absichten des Angreifers in der konkreten Situation.
Wie wird rechtswidrig definiert?
Rechtswidrig ist der Angriff, wenn er im Widerspruch zur Rechtsordnung steht.
- Rechtfertigungsgrund: Das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrunds auf Seiten des Angreifers lässt die Rechtswidrigkeit eines Angriffes entfallen.
- Schuld: Das Notwehrrecht ist hingegen nicht durch Schuldlosigkeit des Angreifers (z.B. Kinder, Geisteskranke, Betrunkene) ausgeschlossen.
- ETI: Es ist wichtig zu berücksichtigen, dass ein Erlaubnistatbestandsirrtum (ETI) keinen Rechtfertigungsgrund darstellt.
Anforderungen an die Notwehrhandlung
Die Notwehrhandlung muss sich gegen den Angreifer richten und darüber hinaus erforderlich und Geboten sein.
Gegen den Angreifer
Die Verteidigungshandlung kann defensive Abwehr (Schutzwehr) oder Gegenangriff (Trutzwehr) sein. Dabei ist es wichtig zu berücksichtigen, dass sich die Notwehrhandlung nur gegen den Angreifer richten darf, jedoch nicht gegen (unbeteiligte) Dritte. Der Notwehrübende kann auch automatisierte Verteidigungsmittel wie zB elektrische Zäune, Selbstschussanlagen, Tretminen o.ä. einsetzen. In den Fällen der „antizipierten Notwehr“ trägt der Verteidiger das Risiko, dass die Voraussetzungen der Notwehr nicht vorliegen.
Wie ist die Definition von Erforderlichkeit?
Erforderlich ist die Verteidigung, die für eine sofortige Beendigung des Angriffs geeignet ist und zugleich das relativ mildeste zur Verfügung stehende Mittel darstellt. Es reicht allerdings auch aus, dass der Angriff abgeschwächt wird. Die Erforderlichkeit beurteilt sich grundsätzlich nach einem objektiven ex-ante Urteil, nicht nach der Vorstellung des Angegriffenen.
- Geeignetheit: Geeignet ist das Mittel, durch dessen Einsatz zu erwarten ist, dass die Gefahr sofort und endgültig beseitigt oder abgeschwächt wird. Dabei ist jedoch ein großzügiger Maßstab anzulegen, ungeeignet sind nur die Maßnahmen, die weder objektiv noch aus der subjektiven Perspektive des Angegriffenen irgendeine Chance auf Abwehr oder Abschwächung des Angriffs bieten.
- Relativ mildestes Mittel: Relativ mildestes Mittel ist die gewählte Verteidigung dann, wenn unter mehreren gleich geeigneten bereitstehenden Mitteln dasjenige eingesetzt wird, das für den Angreifer das am wenigsten gefährliche darstellt. Welches das relativ mildeste Mittel ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Bei der Abwägung ist auch zu berücksichtigen, wie gefährlich der Angriff ist, je gefährlicher der Angriff ist, umso stärkere Abwehrhandlungen sind auch zulässig.
Wie ist die Definition von Gebotenheit?
In der Regel folgt die Gebotenheit aus dem Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen der Notwehr. Nur ganz ausnahmsweise führt das Fehlen der Gebotenheit dazu, dass die Notwehr ausscheidet. Es gibt ganz bestimmte Fallgruppen, in denen aus sozialethischen Gründen oder anderen übergeordneten rechtlichen Erwägungen Einschränkungen des Notwehrrechts vorgenommen werden.
Fälle in denen das Notwehrrecht vollständig ausgeschlossen ist:
- Krasses Missverhältnis: Die Notwehr scheidet aus, wenn ein krasses Missverhältnis zwischen den Folgen der Abwehr und der Erheblichkeit des Angriffs besteht. Beispiel: Ein Hauseigentümerer schießt einen Jungen, der eine Kirsche von einem Kirschbaum klaut.
- Absichtsprovokation: Wenn eine Person absichtlich provoziert wird, um sie im Rahmen der Verteidigung zu schädigen, scheidet das Notwehrrecht aufgrund der fehlenden Gebotenheit aus.
Fälle in denen das Notwehrrecht eingeschränkt wird:
- Angriffe von schuldlos oder unbewusst fahrlässig handelnden Personen.
- Angriffe von Personen mit einer engen Persönlichen Bindung: Das Notwehrrecht wird allerdings nur in geringem Maße eingeschränkt. Eine Einschränkung besteht nur in solchen Fällen, in denen geringfügige Einbußen drohen.
- fahrlässig rechtswidrig provozierte Angriffe.
Wenn das Notwehrrecht eingeschränkt wird, darf sich der Verteidiger und eingeschränkt wehren. Welche Verteidigungshandlungen zulässig sind, entscheidet sich nach der „Drei-Stufen-Theorie“:
- Stufe: Zuerst muss der Angegriffene versuchen, dem Angriff auszuweichen. Dazu gehört es auch, dass die Pflicht besteht, vor dem Angreifer zu flüchten.
- Schutzwehr: Wenn eine Flucht nicht möglich ist bzw. für die Verteidigung unzureichend ist, darf der Angegriffene zur defensiven Abwehr (Schutzwehr) übergehen.
- Trutzwehr: Erst als letzte Möglichkeit darf der Angegriffene zum Gegenangriff (Trutzwehr) übergehen. Dabei muss er jedoch unter größtmöglicher Schonung des Angreifers vorgehen.
Subjektives Rechtfertigungselement
Der Angegriffene muss dem Angriff nach h.M. mit Verteidigungswillen entgegentreten, er muss also Absicht im Sinne eines zielgerichteten Wollens besitzen, den Angriff abzuwehren oder zumindest abzuschwächen (a.A. bloße Kenntnis der Notwehrlage genügt). Solange der Wille zur Verteidigung nicht als völlig nebensächlich zurücktritt, schaden andere Motive wie Wut, Hass, Rache etc. einer Rechtfertigung aus Notwehr allerdings nicht.