Jura-Referendariat
Plädoyer schreiben

Wie schreibt man ein Plädoyer?

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Tobias Escherich
Aktualisiert am 
11.8.2024
6
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Das Wichtigste in Kürze:

  • Das Plädoyer bezeichnet den Schlussvortrag der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung in einem Strafprozess vor der Urteilsverkündung.
  • Referendare müssen Plädoyers im Rahmen der Strafstation halten, wenn sie Sitzungsdienste übernehmen.
  • Der Aufbau des Plädoyers ist immer gleich, sodass man sich gut an Beispielen orientieren kann.

Was ist ein Plädoyer?

Das Plädoyer bezeichnet den Schlussvortrag der Verteidigung und des Staatsanwalts in einem Strafprozess. In dem Plädoyer fassen der Staatsanwalt und der Verteidiger den Prozess zusammen und schildern, zu welchem Ergebnis der Strafprozess aus ihrer Sicht gekommen ist.

Wann müssen Referendare ein Plädoyer schreiben?

Referendare müssen im Rahmen der Strafstation Plädoyers schreiben. Dies gilt allerdings nur für Referendare, welche die Strafstation bei der Staatsanwaltschaft verbringen. In manchen Bundesländern gilt dies auch für Referendare, die ihre Strafstation bei Gericht verbringen. Dies wird nicht einheitlich gehandhabt. Bei der Staatsanwaltschaft übernehmen Referendare Sitzungsdienste. Bei Sitzungsdiensten treten Referendare als Vertreter der Staatsanwaltschaft bei echten Gerichtsprozessen auf. Die Prozesse, die Referendaren zugeteilt werden, sind üblicherweise recht einfache Prozesse, sodass es in den Prozessen üblicherweise nicht um schwierige Fragen der Beweisverwertung o.ä. geht. Deshalb stellt das Plädoyer die einzige wirkliche Herausforderung im Rahmen des Sitzungsdienstes dar.

Wie wird ein Plädoyer aufgebaut?  

Plädoyers der Staatsanwaltschaft folgen einem strengen Aufbau, den auch Referendare einhalten sollten, wenn sie ihr Plädoyer halten.

  • Anrede: Das Plädoyer beginnt mit der Ansprache, üblich ist dabei die Ansprache „Hohes Gericht“.
  • Schilderung des Sachverhaltes: Bei der Schilderung des Sachverhalts trägt man den Sachverhalt vor, den man nach der durchgeführten Beweisaufnahme für erwiesen hält. Dabei ist es wichtig, neben den objektiven Tatbestandsmerkmalen auch auf die subjektiven Tatbestandsmerkmale einzugehen. Es ist üblich, den Sachverhalt chronologisch darzustellen.
  • Beweiswürdigung: Auf die Sachverhaltsdarstellung folgt die Beweiswürdigung. Dabei stellt man dar, aufgrund welcher Beweismittel die Staatsanwaltschaft den Sachverhalt für erwiesen hält. Dabei kann es etwa darum gehen, ob ein Beweismittel verwertbar ist oder warum ein Beweismittel überzeugend ist. Die Beweiswürdigung im Plädoyer ist im Übrigen sehr ähnlich wie die Beweiswürdigung in einer Staatsanwaltsklausur. Sofern die Beweiswürdigung – wie üblicherweise – keine besonderen Probleme beinhaltet, kann die Beweiswürdigung auch mit der Sachverhaltsdarstellung vermischt werden.
  • Rechtliche Würdigung: Nachdem man dargestellt hat, von welchem Sachverhalt man ausgeht, subsumiert man diesen Sachverhalt unter die Voraussetzungen der einschlägigen Strafvorschriften. Ein Problem, welches ab und zu auftritt, ist die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme, sodass Referendare in solchen Fällen darstellen müssen, warum sie zu ihrem Ergebnis gekommen sind. Bei den Fällen, die Referendare im Rahmen des Sitzungsdienstes erhalten, stellt die rechtliche Würdigung normalerweise kein Problem dar, somit ist das Ergebnis der rechtlichen Würdigung lediglich festzustellen.
  • Strafzumessung und Antrag auf Verurteilung: Neben der Schilderung des Sachverhaltes stellt die Strafzumessung häufig einen Schwerpunkt in den Plädoyers beim Sitzungsdienst dar. Aufgrund der vielen Details haben wir diesem Aspekt einen ganzen Abschnitt gewidmet (s.u.).
  • Kosten: Wenn man – wie üblich – beantragt, den Angeklagten zu verurteilen, sollte man nicht vergessen zu beantragen, den Angeklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Wie stellt man die Strafzumessung und den Antrag auf Verurteilung dar?

Die Strafzumessung stellt häufig den Schwerpunkt des Plädoyers von Referendaren im Rahmen des Sitzungsdienstes dar. Die Prüfung der Strafzumessung und die Art der Verurteilung wird in fünf Schritten geprüft:

  1. Festlegung des Strafrahmens: Die Strafzumessung beginnt mit der Darstellung, welcher Strafrahmen für die begangenen Taten in Betracht kommt.
  2. Ausfüllen des gefundenen Strafrahmens: Dieser gefundene Strafrahmen ist dann auszufüllen. Dafür ist auf alle Aspekte einzugehen, die für die Bemessung der Strafe von Bedeutung sind. Dafür unterscheidet man grundsätzlich zwischen tatbezogenen Umständen und täterbezogenen Umständen. Zu den tatbezogenen Umständen gehören etwa, ob es sich um eine Gelegenheitstat oder eine langfristig geplante Tat gehandelt hat, welchen Umfang die entstandenen Schäden haben, die Bereitschaft, den Schaden wiedergutzumachen usw. Zu den täterbezogenen Umständen gehören etwa bereits bestehende Vorstrafen, eine schwierige Kindheit, ob die Straftat während laufender Bewährung begangen wurde usw. Wichtig ist es, zu bedenken, dass solche Umstände nicht berücksichtigt werden dürfen, die bereits ein Tatbestandsmerkmal der Norm darstellen, so darf man etwa nicht bei § 222 StGB strafschärfend berücksichtigen, dass eine Person gestorben ist, da dies bereits tatbestandlich bei § 222 StGB erforderlich ist.
  3. Rechtsfolgen der Tat: Anschließend ist die endgültige Höhe der Strafe festzulegen. Bei Geldstrafen sind sowohl die Höhe als auch die Anzahl der Tagessätze festzulegen. Bei Freiheitsstrafen ist zu berücksichtigen, dass bei Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren die Verurteilung üblicherweise auf Bewährung erfolgt (vgl. § 56 StGB).
  4. Gesamtstrafe: Insbesondere bei kleineren Straftaten kommt es häufig vor, dass mehrere Straftaten auf einmal angeklagt werden. Sofern bezüglich aller Straftaten eine Verurteilung erfolgen soll, ist es wichtig, sich zuvor mit der Gesamtstrafenbildung vertraut zu machen, wofür in der Regel die Unterlagen aus der Arbeitsgemeinschaft ausreichen. Zur Gesamtstrafenbildung sollte man primär wissen, dass man zuvor für jede einzelne Straftat eine Einzelstrafe ermittelt. Anschließend bildet man aus diesen Einzelstrafen eine Gesamtstrafe. Für die Ermittlung der Gesamtstrafe bildet die höchste Einzelstrafe den Ausgangspunkt. Die Gesamtstrafe ist immer höher als die höchste Einzelstrafe. Gleichzeitig ist die Gesamtstrafe stets niedriger als die Summe aller Einzelstrafen. Welche Gesamtstrafe angemessen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Grundsätzlich ist es allerdings selten, dass die Gesamtstrafe über dem doppelten der höchsten Einzelstrafe liegt.  
  5. Fahrverbot: Sofern es in Betracht kommt, sollte man auch die Erteilung eines Fahrverbotes beantragen, dies ist üblicherweise bei Straßenverkehrsdelikten der Fall. 

Wie wird ein Plädoyer im Falle eines Freispruches aufgebaut?

Wenn ein Plädoyer den Antrag enthält, den Angeklagten freizusprechen, dann unterscheidet sich das Plädoyer nur dadurch, dass im Rahmen der rechtlichen Würdigung darzulegen ist, weshalb der bewiesene Sachverhalt eine Verurteilung nicht trägt. Entsprechend sind auch keine Ausführungen zur Strafzumessung erforderlich.

Wie wird ein Plädoyer im Falle eines Teilfreispruches gehalten?

Ein Teilfreispruch liegt vor, wenn eine Anklage mehrere Straftaten enthält und die Staatsanwaltschaft bei manchen Straftaten die Anklage für erwiesen hält, während sie bezüglich anderer Straftaten einen Freispruch beantragt. In diesem Fall ist darauf zu achten, dass zuerst das Plädoyer bezüglich der Straftaten gehalten werden soll, wegen derer der Angeklagte verurteilt werden soll. Erst im Anschluss, wenn man mit dem Plädoyer bezüglich der zu verurteilenden Taten vollständig fertig ist, widmet man sich den Taten, bezüglich derer freigesprochen werden soll. Im Endeffekt hält man also zwei Plädoyers, zuerst eines für die Taten, wegen derer der Angeklagte verurteilt werden soll. Im Anschluss daran hält man ein zweites Plädoyer bezüglich der Taten, wegen derer der Angeklagte freigesprochen werden soll.

Tipps für das Halten des Plädoyers beim Sitzungsdienst

  • Vorbereitung: Das Plädoyer wird direkt im Anschluss an die Beweisaufnahme gehalten. Das bedeutet insbesondere, dass Referendare keine extra Zeit für Vorbereitung des Plädoyers zu halten. Deswegen ist es wichtig, sich vorab mit dem grundsätzlichen Aufbau des Plädoyers vertraut zu machen.
  • Freie Rede: Das Plädoyer soll in freier Rede gehalten werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es zulässig ist, Notizen zu verwenden. Somit sollte man lediglich vermeiden, dass Plädoyer vollständig abzulesen, wobei wahrscheinlich sogar das keine Probleme verursachen würde.
  • Keine Angst: Das Plädoyer ist eine gute Möglichkeit, das freie, spontane Reden zu üben. Gleichzeitig sollte man sich aber immer bewusst machen, dass sowohl ein schlechtes als auch ein gutes Plädoyer keine Auswirkung haben werden. Es ist weder für den Examensnote noch für den Strafprozess selbst wirklich von Bedeutung. Entsprechend sollte man sich durch den Sitzungsdienst nicht stressen lassen.

Mehr dazu, wie man das Plädoyer hält, findet Ihr in unserem Artikel zum Sitzungsdienst (Link).

Beispiel eines Plädoyers

Hohes Gericht,

die heutige Hauptverhandlung hat zur Überzeugung der Staatsanwaltschaft ergeben, dass der Angeklagte am 1.1.2024 in der Zeit zwischen 0:30 Uhr und 1:00 Uhr ein Fahrzeug vom Typ Mercedes Benz V-Klasse, amtliches Kennzeichen HH-XX-1234 mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,0 Promille zwischen Winsen Luhe und Lüneburg auf der Hamburger Straße fuhr. Der Angeklagte war nicht in der Lage sein Fahrzeug zu führen und war sich dessen auch bewusst.

Der Beklagte gab an, erst nach seiner Fahrt und während eines Streites mit seiner Ehefrau große Mengen Alkohol getrunken zu haben, die die später gemessene Blutalkoholkonzentration erklären. Diese Einlassung überzeugt allerdings nicht und stellt somit lediglich eine Schutzbehauptung dar.  

Die Zeugin Mariane Musterfrau sagte aus, dass der Angeklagte erst um 1:30 nach Hause gekommen sei. Die geringe Zeit von 10 Minuten bis zum Eintreffen der Polizei reichte schon gar nicht aus, so erhebliche Mengen Alkohol zu konsumieren. Auch verbrachte der Angeklagte diese Zeit nach eigener Aussage mit dem Streit, sodass nicht ersichtlich ist, wann der Alkohol hätte konsumiert werden sollen.

Dazu verlor der Angeklagte während der Autofahrt einen Reifen. Es ist nicht ersichtlich, wie eine nüchtern fahrende Person einen Reifenverlust, der mit einer erheblichen Beeinträchtigung der Kontrolle einhergeht, nicht bemerken kann. Vielmehr zeigt die Tatsache, dass der Verlust des Reifens nicht bemerkt wurde, dass der Angeklagte nicht mehr in der Lage war, seine Umgebung wahrzunehmen und das Fahrzeug sicher zu steuern.

Auch das BAK-Gutachten sowie die Befragung des Sachverständigen Prof. Dr. Peter Musterarzt zeigen, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass der Angeklagte den konsumierten Alkohol erst nach der Autofahrt konsumiert hat.  

Zusammenfassend ist somit erwiesen, dass der Angeklagte vorsätzlich ein Kraftfahrzeug führte, obwohl er dazu infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage war. Er handelte sowohl rechtswidrig als auch schuldhaft und hat damit den Tatbestand des § 316 Abs. 1 StGB verwirklicht.

Der gesetzliche Strafrahmen sieht für eine solche Tat eine Strafe von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe vor.  

Bei der Ermittlung der konkreten Strafe sind die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Zugunsten des Angeklagten ist in Betracht zu nehmen, dass er bisher keine Straftaten begangen hat, also Ersttäter ist. Außerdem hat er sich nach der Tat hinsichtlich seiner Atemalkoholprobe und der Blutprobe kooperativ gezeigt und ist gewillt, sein Alkoholproblem anzugehen, um zu verhindern, dass entsprechende Taten noch einmal vorkommen. Der Angeklagte ist Vater von zwei Kindern und seine Frau arbeitet nur in Teilzeit, sodass der Angeklagte primär für den finanziellen Unterhalt der Familie verantwortlich ist. Der Angeklagte erhält ein Nettogehalt von 50 Euro am Tag. Aufgrund der bestehenden Unterhaltspflichten beträgt das auf ihn entfallende Nettogehalt pro Tag somit 30 €.

Entsprechend ist eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen in Höhe von 30 € tat- und schuldangemessen.

Indem die Tat die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährdet hat, ist der Angeklagte zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet. Deshalb ist dem Angeklagten die Fahrerlaubnis zu entziehen und eine Sperre von sechs Monaten auszusprechen.

Aufgrund der Verurteilung beantrage ich, dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Hinweis: Dieses Plädoyer hat der Autor selbst gehalten und wurde vom Richter gelobt. Das Beispiel soll somit einen Eindruck vermitteln, was im Sitzungsdienst ausreicht und kann somit gerne als Muster verwendet werden.

Häufig gestellte Fragen

Was ist der Sitzungsdienst?
Bei Sitzungsdiensten treten Referendare als Vertreter der Staatsanwaltschaft bei echten Gerichtsprozessen auf. Dabei werden Referendare nicht durch Staatsanwälte unterstützt, sodass der Sitzungsdienst das erste Mal darstellt, dass man eigenständig vor Gericht auftritt.
Wie wird ein Plädoyer aufgebaut?
Der Aufbau eines Plädoyers besteht aus sechs Schritten, auf die Anrede folgt die Schilderung des Sachverhalts und die Beweiswürdigung. Im Anschluss wird der Sachverhalt rechtlich gewürdigt und die aus Sicht der Staatsanwaltschaft angemessene Strafe begründet. Im Anschluss wird noch beantragt, dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Was ist ein Teilfreispruch?
Ein Teilfreispruch liegt vor, wenn gegen einen Angeklagten mehrere Straftaten angeklagt werden und bezüglich mancher Straftaten ein Freispruch erfolgt, während bezüglich der übrigen Straftaten eine Verurteilung stattfindet.
Muss jeder Referendar Sitzungsdienste übernehmen?
Grundsätzlich übernehmen nur Referendare Sitzungsdienste, welche die Straf- oder Wahlstation bei der Staatsanwaltschaft verbringen. Dazu ist es in manchen Bundesländer auch üblich, dass auch Referendare Sitzungsdienste übernehmen, welche die Strafstation beim Strafgericht verbringen.
Hält auch die Nebenklage ein Plädoyer?
Auch die Nebenklage hat die Möglichkeit, ein Plädoyer zu halten. Die Nebenklage hält das Plädoyer nach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft und vor dem Plädoyer der Verteidigung.