Die verschiedenen Klausurtypen im zweiten Staatsexamen
Das Wichtigste in Kürze:
- Im zweiten Staatsexamen wird von Referendaren verlangt, eine Vielzahl von unterschiedlichen Klausurtypen zu beherrschen.
- Im Zivilrecht gibt es diese Klausurtypen: Urteilsklausur, Anwaltsklausur, Kautelarklausur und Relationsklausur.
- Im Strafrecht gibt es diese Klausurtypen: (tlw.) Urteilsklausur, Staatsanwalts- bzw. Anklageklausur und (tlw.) Revisionsklausur.
- Im öffentlichen Recht gibt es die Urteilsklausur (tlw.), Anwaltsklausur und Behördenklausur.
Flexibel & ideale Vorbereitung auf das 2. ExamenWissMit · Hamburg (remote möglich)Stellenanzeige ansehen
Klausurtypen im Zivilrecht
Bei den zivilrechtlichen Klausuren im zweiten Examen existieren je nach Bundesland drei bis vier verschiedene klassische Klausurtypen: Urteilsklausur, Anwaltsklausur, Kautelarklausur und Relationsklausur.
Gerichtliche Entscheidung (Urteilsklausur)
Der erste Typus ist die gerichtliche Entscheidung, oft auch Urteilsklausur genannt. Wie bereits der Name indiziert, wird vom Prüfling verlangt, dass er sich in die Position eines Richters versetzt und auf Grundlage einer ihm zur Verfügung gestellten Akte ein Urteil oder einen Beschluss eines Zivilgerichts anfertigt. Neben dem klassischen Urteil, welches einem logischen Aufbaugerüst bestehend aus Rubrum, Entscheidungstenor, Tatbestand und Entscheidungsgründen folgt, kann von Kandidaten beispielsweise auch das Abfassen eines Beschlusses im einstweiligen Rechtsschutz verlangt werden. Detailliertere Informationen bezüglich des genauen Aufbaus und Hinweise zur Herangehensweise findet Ihr in einschlägigen Lehrbüchern und Skripten.
Anwaltsklausur
Im Gegensatz dazu wird von den Prüflingen in der Anwaltsklausur verlangt, sich in die Perspektive eines Rechtsanwalts zu versetzten. Zumeist ist in solchen Klausuren zunächst eine komprimierte Schilderung des Sachverhalts aus der Akte vorzunehmen. Im zweiten Schritt ist vom Kandidaten, ähnlich wie in den Klausuren des ersten Staatsexamens, ein Rechtsgutachten zu verfassen, wobei zuvor das Mandantenbegehren herauszuarbeiten ist. Bearbeiter müssen sodann im Rahmen der Zweckmäßigkeit darauf eingehen, wie das im Gutachten herausgearbeitete Ergebnis anwaltlich umzusetzen ist. Im letzten Teil, dem praktischen Teil, ist ein Schriftsatz zu verfassen und der Mandant über die anwaltlichen Tätigkeiten zu informieren. Anwaltsklausuren können sowohl aus Kläger- als auch aus Beklagtensicht, im Hauptverfahren, im einstweiligen Rechtsschutz oder im Rechtsmittelverfahren zu verfassen sein. Bei diesem Klausurentyp ist es besonders wichtig, dass man das Mandantenbegehren sauber herausarbeitet, da das überzeugendste Gutachten und der beste Schriftsatz kaum zu einer guten Bewertung führen wird, wenn man dabei dem Begehren des Mandanten nicht gerecht wird.
Kautelarklausur
Bei der Kautelarklausur handelt es sich letztendlich ebenfalls um eine Anwaltsklausur bzw. Notarklausur allerdings mit der Besonderheit, dass sie von rechtsgestaltenden Elementen geprägt ist. Damit trägt die Klausur der Tatsache Rechnung, dass neben der gerichtlichen Durchsetzung von Ansprüchen auch die rechtsgestaltende Beratung einen elementaren Bestandteil der Tätigkeit als Rechtsanwalt darstellt. Geprüft werden in diesem Zusammenhang insbesondere unterschiedliche Arten der Vertragsgestaltung, die Anfertigung von außergerichtlichen Einigungsvorschlägen, die Ausübung von Gestaltungsrechten, die Gründung von Gesellschaften, die Formulierung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder der Entwurf eines Testaments.
Relationsklausur
Beim letzten Klausurtyp handelt es sich um eine Prüfungsform, die nicht in jedem Bundesland zum Kanon der möglichen Klausurtypen gehört, die sogenannte Relationsklausur. Die Relationstechnik ist ein Instrument aus der richterlichen Praxis, mit der Richter den Prozessstoff im Rahmen eines Subsumtionsprozesses fallrelevant ordnet, auswertet und schließlich zu einer Entscheidung gelangt, welches dann im Urteil oder Beschluss verkündet wird. Klausurbearbeiter nehmen in einer Relationsklausur die Perspektive des Richters ein, der auf Grundlage des Akteninhalts und in der Regel des Protokolls der Beweisaufnahme ein Urteil schreiben muss. Dieses Urteil wird durch die Relation vorbereitet, es handelt sich um die Gedankenarbeit des Richters, der einen klägerischen Sachverhalt auf Schlüssigkeit, den Vortrag des Klägers auf Erheblichkeit und die angebotenen Beweise überprüft. Der grundlegende Aufbau der Relationsklausur besteht in der Regel aus drei Teilen, Tatbestand, Gutachten und Entscheidungsvorschlag.
Klausurtypen im Strafrecht
Die häufigsten Klausurtypen im Strafrecht sind Urteilsklausur, Staatsanwaltsklausur und Revisionsklausur.
Urteilsklausur
Ebenso wie im Zivilrecht muss sich der Prüfling in die Position eines Richters versetzen und in diesem Fall auf Grundlage einer ihm zur Verfügung gestellten Akte ein Strafurteil anfertigen. Das Strafurteil setzt sich dabei aus folgenden Bestandteilen zusammen: Rubrum, Urteilsformel, Bezeichnung der angewendeten Vorschriften und den Urteilsgründen.
Staatsanwaltsklausur
Die Staatsanwaltsklausur bzw. Anklageklausur ist einer der häufigsten Klausurtypen in strafrechtlichen Klausuren des zweiten Staatsexamens. Dabei muss sich der Prüfling ein Verfahren aus Sicht der Staatsanwaltschaft bearbeiten. Die Klausur setzt sich aus einem theoretischen und einem praktischen Teil zusammen. Im ersten Teil sind ein materiellrechtliches und ein prozessuales Gutachten, auch als A- und B-Gutachten bekannt, anzufertigen. Das materielle Gutachten ist dem des ersten Examens ähnlich, allerdings sind auch Ausführungen zur Beweisbarkeit unentbehrlich. Das prozessuale Gutachten geht auf Fragen wie das zuständige Gericht oder die Notwendigkeit eines Haftbefehls ein. Auf Grundlage der Ergebnisse dieser theoretischen Vorarbeit ist dann der praktische Teil fertigzustellen. In vielen Fällen wird dabei im Rahmen des praktischen Teils eine Anklageschrift zu verfassen sein. Allerdings kann die zweckmäßige Lösung der Klausur auch im Anfertigen eines Strafbefehls liegen.
Die Revisionsklausur
Auch die Revisionsklausur ist ein Typus, der regelmäßig im zweiten Staatsexamen geprüft wird. Inhalt kann sowohl die reine Anfertigung eines Gutachtens zu den Erfolgsaussichten als auch das Erstellen einer Revisionsbegründung sein. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Einhaltung der speziellen Formvorschriften und der sauberen Prüfung der möglichen Sach- und Verfahrensrügen. Auf den ersten Blick handelt es sich um einen undankbaren Klausurtyp, die Revision wird gemeinhin als „Meisterstück des Strafverteidigers“ bezeichnet und ist in der Praxis nur selten von Erfolg gekrönt, allerdings liegt darin auch der Vorteil, dass die Anforderungen der Prüfer nicht so hoch sind wie bei anderen Prüfungsformaten.
Klausurtypen im Öffentlichen Recht
Auch im öffentlichen Recht gibt es drei besonders häufige Klausurtypen, die Urteils-, die Anwalts- sowie die Behördenklausur.
Urteilsklausur
Auch im dritten Rechtsgebiet, dem öffentlichen Recht, werden häufig Urteilsklausuren gestellt. Dabei wird von den Prüflingen regelmäßig die Niederschrift eines verwaltungsrechtlichen Urteils oder Beschlusses verlangt. Da das Abfassen von Urteilen und Beschlüssen zum Standardrepertoire in der verwaltungsgerichtlichen Klausur im Zweiten Staatsexamen gehört, ist ein sauberer Aufbau für das Gelingen der Klausur von enormer Wichtigkeit.
Anwaltsklausur
Auch der nächste Klausurtyp ist aus den anderen Rechtsgebieten bekannt. Regelmäßig wird von Kandidaten auch im öffentlichen Recht verlangt, dass sie sich in die Rolle eines Rechtsanwalts versetzen. Auch im öffentlichen Recht liegen die Schwerpunkte der Klausur darin, dass Mandantenbegehren korrekt zu ermitteln, ein Rechtsgutachten zu verfassen und anschließend entweder ein Schriftsatz an das Gericht oder die Behörde oder ein Schreiben an den eigenen Mandanten zu entwerfen.
Behördenklausur
Der letzte Klausurtyp, der hier vorgestellt werden soll, ist die Klausur aus Perspektive der Behörde. Die zentralen Themen in verwaltungsbehördlichen Klausuren sind regelmäßig das Verfassen von Ausgangs- oder Widerspruchsbescheiden. Allerdings sind auch Klausuren denkbar, in welchen vom Kandidaten gefordert wird, eine Reaktion auf nicht-förmliche Anträge wie Petitionen, Aufsichtsbeschwerden oder Schriftsätze aus Sicht der Behörde an Gerichte zu verfassen. Auch in solchen Klausuren wird teilweise zunächst ein vorbereitendes Gutachten verlangt.
Fazit
Bei den genannten Klausurtypen handelt es sich zwar um die gängigsten Klausurtypen, allerdings sind der Kreativität der Prüfer kaum Grenzen gesetzt, sodass von Zeit zu Zeit auch mit außergewöhnlichen Klausurtypen zu rechnen ist. Um auch mit solchen ungewöhnlichen Konstellationen in Kontakt zu kommen, ist es daher elementar, während des Referendariats so viele Klausuren wie möglich zu schreiben, idealerweise mindestens eine Klausur pro Woche. Im Laufe der Vorbereitung verbessert man so stetig das Verständnis für die gängigen Klausurtypen und die Erwartungshaltung der Prüfer, sodass man sich zunehmend auf die inhaltlichen Herausforderungen der jeweiligen Klausur fokussieren kann.
Schließlich gilt es zu betonen, wie entscheidend der Bearbeitervermerk in Prüfungsaufgaben des Zweiten Examens ist. Diese sind tendenziell umfangreicher als im Ersten Staatsexamen und enthalten auch mehr Arbeitsanweisungen, Einschränkungen und nützliche Hinweise. Auch die beste juristische Lösung wird den Prüfer kaum überzeugen, wenn der Bearbeiter die „falsche“ Aufgabe löst, weil er blind einem auswendig gelernten Schema folgt. Außerdem ist die Analyse des mehr oder minder umfangreichen Aktenstücks erheblich leichter, wenn man dies sofort unter Zugrundelegung der richtigen Arbeitshypothese vornimmt.