Jura-Referendariat
Investment Banking

Als Jurist ins Investment Banking

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Tobias Escherich
Aktualisiert am 
5.5.2024
9
 Min. Lesedauer

Das Wichtigste in Kürze:

  • Wenn sich Juristen nach Karrierewegen außerhalb der klassischen juristischen Berufe umschauen, ist für wirtschaftswissenschaftlich interessierte Juristen insbesondere das Investment Banking eine spannende Option.
  • Doch der Weg ins Investment Banking weist einige Hürden auf. Im Rahmen der Bewerbung reicht es nicht, gute (juristische) Noten zu haben. Stattdessen müssen Bewerber einige spezielle Anforderungen erfüllen.
  • Im Vorfeld der Bewerbung muss man einige Punkte bedenken und den Einstieg ins Investment Banking weit im Voraus planen.

Was ist eine Investmentbank?

Eine Investmentbank ist Bank, die sich auf bestimmte Geschäftsbereiche des Bankgeschäfts spezialisiert hat. Anders als Geschäftsbanken verfügen Investmentbanken in der Regel über kein Einlagengeschäft, sondern fokussieren sich auf das Investment Banking im engeren Sinne, die Vermögensverwaltung, den Wertpapierhandel und die Erstellung von Finanzanalysen. Zudem ist der Kundenkreis von Investment Banken beschränkt, sie sind auf Geschäfte mit großen Unternehmen, Pensionskassen und Finanzinvestoren usw. spezialisiert.  

Historisch beruht die Unterscheidung darauf, dass durch den Glass-Steagal Act von 1933 in den USA lange eine verpflichtende gesetzliche Trennung zwischen Geschäftsbanken und Investmentbanken vorgesehen war. Seit Ende der 90er-Jahre ist diese verpflichtende Trennung jedoch aufgehoben, sodass viele Investmentbanken in neue Geschäftsbereiche expandiert haben oder übernommen worden sind. Daher gibt es zunehmend weniger reine Investmentbanken, heute handelt es sich bei den meisten großen Banken um Universalbanken, die in allen Geschäftsfeldern aktiv sind.  

Structure of an Investment Banki

Was ist das Investment Banking?

Das Investment Banking berät Unternehmen bei der Unternehmensfinanzierung sowie bei Fusionen und Übernahmen (M&A). Bei der Beratung bzgl. der Unternehmensfinanzierung werden insbesondere Börsengänge und Kapitalerhöhungen von Unternehmen vorbereitet. Dazu gehört es etwa, konkrete Vorschläge für den Mandanten zu entwickeln, ob und welche Finanzierungsform gewählt werden sollte sowie die Maßnahmen später umzusetzen.  

Arbeitsalltag im Investment Banking

Berufseinsteiger und Praktikanten arbeiten im Investment Banking viel mit Excel und Powerpoint. Im Investment Banking müssen häufig Unternehmensbewertungen vorgenommen werden. In Excel werden dann die Jahresabschlüsse und Finanzkennzahlen von Unternehmen durchleuchtet und Unternehmen finanziell modelliert (Financial Modelling), um etwa durch Abschätzung künftiger Zahlungsströme den Wert des Unternehmens zu ermitteln oder die Sinnhaftigkeit eines Unternehmenszusammenschlusses zu beurteilen. Die Arbeitsergebnisse werden im Investment Banking in PowerPoint präsentiert. Als Berufseinsteiger oder Praktikant hat man häufig die Aufgabe, diese Präsentationen zu erstellen und zu überarbeiten.

Insgesamt ist die Arbeitsbelastung im Investment Banking noch einmal deutlich höher als bei Großkanzleien. So kommt es häufig vor, dass eine Arbeitswoche über 90 Arbeitsstunden hat. Normalerweise besteht das Wochenende – wenn überhaupt – aus einem freien Tag.

Welche Fähigkeiten benötigt man im Investment Banking?

Excel- und Powerpoint-Fähigkeiten

Von Bewerbern bei Investment Banken werden fortgeschrittene Fähigkeiten in Excel und PowerPoint erwartet, also etwa Kenntnis der wichtigen Formeln in Excel und wichtige Shortcuts zu beherrschen, die ein Navigieren in den Programmen fast ohne Maus ermöglichen und damit erheblich an Zeit einsparen und somit ein schnelles Arbeiten ermöglichen. Häufig werden Excel- und PowerPoint Fähigkeiten bereits im Auswahlverfahren für Praktika und Vollzeitstellen getestet, indem der Recruiter mit dem Bewerber Case Study durchführt.  

Beispiel:

Example of a DCF-Valuation in excel

Hierbei handelt es sich um ein sehr einfaches Excel-Modell, um mithilfe von Excel den Wert eines Unternehmens zu berechnen und zu schauen, ob es sich eine Transaktion lohnt.

Von Praktikanten und Berufseinsteigern im Investment Banking wird etwa erwartet, dass sie in der Lage sind, Excel-Modelle zur Unternehmensbewertung sehr schnell fehlerfrei zu entwickeln.  

Bewerber aus wirtschaftsorientierten Studiengängen, die eine Karriere im Investment Banking erstreben, sammeln diese Fähigkeiten meist im Laufe mehrerer Vorpraktika an. Für Bewerber mit juristischem Hintergrund besteht hier erheblicher Aufhol- und Begründungsbedarf. Zum einen sind Skills in Excel und PowerPoint notwendig, um im Team ordentlich mitarbeiten zu können und Aufgaben fristgerecht zu erledigen. Zum anderen muss im Bewerbungsverfahren dargelegt werden können, dass Excel und PowerPoint in fortgeschrittenem Stadium beherrscht werden.

Hierbei handelt es sich allerdings nicht um Fähigkeiten, die man über Jahre erlernen muss. Vielmehr handelt es sich um schnell erlernbare Fähigkeiten. So genügt es, wenige Wochen zu investieren, um solide Excel- und Powerpoint-Kenntnisse aufzubauen, die man dann im Praktikum oder bei Berufseinstieg vertiefen kann. Dazu kommt, dass von Bewerbern mit juristischem Hintergrund ohne Vorerfahrung grundsätzlich weniger erwartet wird als von Bewerbern, die bereits mehrere Praktika in der Branche absolviert haben.

Wenn ihr genauer wissen möchtet, was von Euch erwartet wird, ist dieses englischsprachige Video hilfreich: Discounted Cash Flow | DCF Model Step by Step Guide.

Deshalb sollte man sich schon vor dem Bewerbungsverfahren intensiv mit Excel beschäftigt haben. Dafür bietet es sich etwa an, die YouTube-Videos von rareliquid oder Kenji Explains zu schauen und die gezeigten Fähigkeiten zu beherrschen.

Wirtschaftswissenschaftliche Fähigkeiten

Neben Excel und PowerPoint als Instrumente stehen inhaltlich im Investment Banking Accounting und Valuation im Vordergrund. Gefordert wird deshalb insbesondere, die drei Statements (Income Statement, Cash Flow Statement und Balance Sheet) und deren Zusammenhänge zu verstehen. Man sollte sich schnell in den Statements orientieren können und ein Gefühl für die Wechselwirkung verschiedener Posten innerhalb der Statements entwickelt haben. Außerdem sollte man mit der Unternehmensbewertung zum einen abstrakt auf methodischer Ebene vertraut sein, also die Idee und Durchführung der Bewertungsmethoden verstehen, als auch praktisch ein Gespür dafür haben, was etwa heranzuziehen ist, wenn es darum geht, die Umsätze eines Unternehmens im Rahmen einer Discounted Cash Flow Analyse zu prognostizieren.

Daneben sind ein tiefes Verständnis insbesondere von M&A-Prozessen und Emissionsvorgängen erforderlich sowie ein Gespür für das makroökonomische Umfeld (z. B. Zinsen, M&A Aktivität). Gerade wenn man bereits juristisch im Kapitalmarktrecht gearbeitet hat, dürfte hier aber vieles an Erfahrung und Wissen auf eine Tätigkeit im Investment Banking transferiert werden können.

Im Auswahlverfahren können etwa die folgenden Fragen gestellt werden:

  • Was ist ein Leveraged Buyout?
  • Grenzen Sie die üblichen Unternehmensbewertungsmethoden voneinander ab
  • Wie funktioniert eine Discounted Cash Flow Analyse?
  • Warum wird bei der Kaufpreisberechnung das Cash addiert und die Schulden subtrahiert?
  • Was versteht man unter dem CAPM
  • Wie hängen die drei Statements miteinander zusammen?

Wenn Ihr euch für ein Assessement-Center vorbereiten möchtet, empfehlen wir Euch den verlinkten Artikel. Dort wird sehr genau dargelegt, was Euch im Auswahlverfahren erwartet und welches Wissen von Euch in den Themengebieten Unternehmensbewertung, Accounting und Valuation erwartet wird. Außerdem sind in dem Artikel auch Seiten und Videos verlinkt, mit denen Ihr Euch das erforderliche Wissen aneignen könnt.  

Wie schafft man (als Jurist) den Einstieg ins Investment Banking?

Zu den bekannten Namen des Investment Bankings kommt man nicht von null auf 100. Studenten wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge absolvieren häufig während ihres Bachelors bereits mehrere Vorpraktika, um sich dann gegen Ende des Studiums bei den größeren Investmentbanken zu bewerben.

Unabhängig von dem aktuellen Ausbildungs-/Karrierestadium gilt also für die allermeisten Fälle: Es geht nicht sofort, sondern es ist Vorarbeit notwendig. Anerkannt als Vorerfahrung sind im Investment Banking vor allem Praktika bei den großen Wirtschaftsprüfern („Big4“), bei solchen Praktika erhält man erste Einblicke ins Accounting und die Unternehmensbewertung. Ein weiterer, häufig zu beobachtender Schritt sind dann Praktika in kleineren Investment Banking Boutiquen (M&A Advisory Boutique/ Corpfin Boutique). Erfahrungen in der strategischen Unternehmensberatung sind ein Plus, mangels hinreichenden technischen Gehalts (Excel, Accounting, Valuation) meist aber nicht ausreichend.

Wichtig zu wissen ist außerdem, dass sich Praktika in ihrer Bedeutung und in ihrer Ausgestaltung im Investment Banking ganz erheblich von Praktika etwa in Großkanzleien unterscheiden. Das gilt zum einen hinsichtlich ihrer Anforderungen an Bewerber; von ihnen wird bereits umfassende Vorerfahrung und „Mitarbeitsfähigkeitverlangt. Zum anderen spiegelt sich dies aber auch in der Bedeutung eines solchen Praktikums für den künftigen Karriereweg wider. Diese Praktika sind in aller Regel mit der Möglichkeit verbunden, ein sog. Full-Time-Offer zu bekommen und in absehbarer Zeit beruflich bei der Bank einzusteigen. Außerdem sind sie ein gewaltiger –  weit über die Bedeutung von Praktika im juristischen Berufsfeld hinausgehender – Pluspunkt auf dem Lebenslauf auch dann, wenn man sich bei anderen Banken oder Akteuren der Finanzbranche bewirbt. Andersherum ist ein Direkteinstieg, also eine Vollzeit-Stelle bei einer Investmentbank, ohne vorherige Praktika eher selten.

Bewerbungsverfahren im Investment Banking

Auswahlkriterien  

Unterschied zu Großkanzleien

Die Auswahlkriterien und -prozesse im Investment Banking unterscheiden sich stark von denen in juristischen Berufen. Vor allem bei Kanzleien erfolgt die Bewerberauswahl meist stark notenorientiert. Akademische Qualifikationen wie eine Promotion oder ein LL. M. sowie rechtsgebietsspezifische Erfahrungen werden berücksichtigt. Vorherige Erfahrungen wie Praktika oder Stellen als wissenschaftliche Mitarbeiter sind sehr wertvoll, um etwa ein Team kennenzulernen und später Vollzeit dort anzufangen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewerbung sind sie aber nicht.

Investment Banken

Ganz anders erfolgt die Auswahl im Investment Banking. Gute, überdurchschnittliche Noten sind auch hier wichtig. Vor allem aber schauen die Investment Banken darauf, ob der Bewerber bereits „relevante Vorerfahrung“ gesammelt hat, vor allem in Form von Praktika. Der Grund dafür ist, dass man die im Investment Banking erforderlichen Fähigkeiten häufig nicht an der Uni lernt, etwa schnelles Navigieren in Jahresabschlüssen, Marktdaten, Excel und PowerPoint. Recruiter im Investment Banking wollen sehen, dass Kandidaten vollwertig im Team mitarbeiten können – das gilt sowohl für die Bewerbung auf Praktika als auch auf Vollzeitstellen.

Bewerbungsverfahren

Das Bewerbungsverfahren für Stellen – insbesondere Einstiegspositionen und Praktika – im Investment Banking besteht aus zwei Teilen. Zuerst findet ein (Online-)Assessment Center statt. Die Aufgaben in dem Assessement Center ähneln dabei sehr stark an die Aufgaben bei einem Intelligenztest. Deshalb sind die Aufgaben sehr logik- und mathelastig. Wenn man diese Auswahlrunde besteht, folgt die zweite Auswahlrunde. In der zweiten Auswahlrunde finden drei Interviews statt. In dem ersten Interview dreht es sich um die Persönlichkeit des Bewerbers und es wird geschaut, inwieweit dieser in die Bank passt. Danach folgt ein Interview, in dem die Kenntnisse des Bewerbers in den Bereichen Unternehmensbewertung und Buchhaltung überprüft werden. Zuletzt findet ein Interview statt, in dem eine Case Study durchgeführt wird. Der Bewerber muss also eine Aufgabe lösen, wie sie in der Praxis später gestellt werden könnte. Bei großen Investment Banken kann die zweite Auswahlrunde auch mehrfach stattfinden, sodass das Auswahl insgesamt aus drei oder mehr Auswahlrunden besteht.

Ist es sinnvoll, Investment Banking als Jurist auszuprobieren?

Abgesehen davon, dass das Investment Banking sehr spannend und herausfordernd ist, ist es sehr empfehlenswert – sofern man sich für das Investment Banking interessiert –, es sich wenigstens anzuschauen. Denn im Rahmen der Bewerbung eignet man sich wertvolle Fähigkeiten an, die nicht nur für den Lebenslauf, sondern auch für den persönlichen Karriereweg äußerst förderlich sein können. Auch Großkanzleien mögen Unternehmensjuristen, die eine Bilanz lesen können und bei Bedarf eine Excel-Tabelle erstellen können sowie die strategischen Hintergründe eines M&A-Deals verstehen. Erfahrungen im Transaktionsgeschäft ergänzen einander und ergeben mit jeder Berufserfahrung ein umfassenderes Verständnis für die Aspekte dieser Deals.

Weitere Informationen

Wenn man sich in einer Investment Bank bewerben möchte, ist es sich wichtig, sich gut vorzubereiten. Insbesondere die Interviews folgen einem einheitlichen Schema, auf das man sich gut vorbereiten kann und muss. Für die Vorbereitung sind die folgenden Links hilfreich:

Häufig gestellte Fragen

Was ist das ECM?
ECM steht für Equity Capital Markets und stellt eine Abteilung im Investment Banking dar. Im Equity Capital Markets werden Kunden bei allen Maßnahmen betreut, bei denen Eigenkapital über die Börse aufgenommen wird bzw. ein Unternehmen von der Börse genommen wird.
Was bedeutet DCM?
DCM steht für Debt Capital Markets und stellt eine Abteilung im Investment Banking dar. Im Debt Capital Markets werden Kunden bei allen Maßnahmen betreut, bei denen Fremdkapital über die Börse aufgenommen wird.
Was ist M&A?
M&A steht für Mergers & Acquisitions, also Fusionen und Übernahmen. Dies stellt die dritte Abteilung im Investment Banking dar. In dieser Abteilung werden Kunden bei der Fusion mit anderen oder Übernahme von anderen Unternehmen beraten.
Was ist eine Discounted Cash Flow Analyse?
Bei der Discounted Cash Flow Analyse werden die zukünftigen zahlungswirksamen Gewinne eines Unternehmens ermittelt und deren heutiger Wert berechnet.